Dieser Artikel ist Teil der Broschüre „Der Krieg beginnt hier – Kämpfen wir dagegen!“. DIe ganze Broschüre findet ihr hier.
Stell dir vor, du studierst Elektrotechnik und schreibst gerade deine Bachelorarbeit. An deiner Arbeitsgruppe wird an Chips für MRTs geforscht. Doch von einem auf den anderen Tag entwickelt ihr Bauteile für Kampfdrohnen, obwohl du, dein Prof und alle Kolleg:innen dagegen sind. Doch das Wissenschaftsministerium hat zusammen mit der Bundeswehr entschieden, dass an deiner Uni im „Interesse der nationalen Sicherheit“ jetzt für Waffentechnologie geforscht werden muss.
Das klingt vielleicht wie eine dystopische Fantasie, könnte aber bald genauso in Deutschland passieren. Denn die Militarisierung hält auch in unseren Universitäten und der Wissenschaft Einzug. Seit der Eskalation des Ukrainekriegs hören wir jeden Tag in den Nachrichten von der „Zeitenwende“, wir müssten wieder „kriegstüchtig“ werden und „Verantwortung in der Welt“ übernehmen. Im Klartext bedeutet das, dass Deutschland seine wirtschaftliche Spitzenposition im Kräftemessen zwischen den größten imperialistischen Mächten wie den USA, China und Russland verteidigen soll.
Dafür erleben wir momentan das größte Aufrüstungsprogramm seit dem Zweiten Weltkrieg. Quasi über Nacht wurde das Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr aus dem Hut gezaubert und der Militäretat nun jährlich um viele Milliarden erhöht. Auch personell soll die Bundeswehr massiv aufgestockt werden: Die Diskussionen über eine Wiedereinführung der Wehrpflicht nehmen kein Ende. Schon jetzt wurden Zwangsmusterungen aller Deutschen im „wehrfähigen Alter“ beschlossen und Jugendoffizierinnen sollen an unseren Schulen neue Soldat:innen rekrutieren.
Doch diese 180-Grad-Wende in der Militärpolitik alleine reicht nicht – die „Kriegsbereitschaft“ soll auch mit einer dauerhaften Kriegspropaganda erreicht werden. Immer neue Parolen sollen uns suggerieren, dass wir die „demokratischen, freiheitlichen Werte“ Europas gegen einen neuen Block der „diktatorischen, autoritären“ Feinde verteidigen und notfalls dafür auf einem der kommenden Schlachtfelder sterben müssten. Uns ist aber klar, dass es dabei vielmehr um die Profite einiger weniger Kapitalist:innen und wirtschaftliche Einflusssphären in einer immer umkämpfteren Welt geht.
Auch vor unseren Unis und der Forschung macht die Militarisierung keinen Halt. Universitäten haben eine hohe Bedeutung für die Gesellschaft und ihre Zukunft. Sie sind die Orte, an denen spezialisierte Arbeitskräfte und Führungspositionen ausgebildet werden. Wer heute studiert, hat morgen womöglich eine wichtige Position in Wissenschaft, Wirtschaft oder Politik inne.
Deswegen sind die Universitäten immer auch Vermittlerinnen der bürgerlich-kapitalistischen Ideologie. Gleichzeitig finden hier Forschung und wissenschaftlicher Fortschritt statt. In welche Richtung und zu wessen Nutzen das passiert, ist dabei entscheidend.
Momentan versucht der deutsche Staat, unsere Universitäten und die Forschung, die in ihnen stattfindet, in den Dienst der Militarisierungspolitik zu stellen. Den Anfang machte das „Gesetz zur Förderung der Bundeswehr in Bayern“, das im Juli beschlossen wurde. Damit sollen Universitäten und deren Mitarbeitende und Studierende gezwungen werden, Rüstungsforschung zu betreiben. Außerdem kann das Wissenschaftsministerium sie verpflichten, mit der Bundeswehr zu kooperieren. Darüber hinaus wurden mit dem Gesetz Zivilklauseln, also die Selbstverpflichtung von Universitäten, nur zu zivilen Zwecken zu forschen, verboten. Diese Zivilklauseln sind Erfolge studentischer Kämpfe seit der Friedensbewegung der 80er-Jahre.
Positionspapier für Bildung und Forschung
Es ist sehr wahrscheinlich, dass ähnliche Gesetze wie das in Bayern Beschlossene auch anderswo auf uns zukommen. Denn es setzt als erstes das „Positionspapier des Bundesministeriums für Bildung und Forschung zur Forschungssicherheit im Lichte der Zeitenwende“ um, das im März 2024 veröffentlicht wurde. In wessen Dienste die Forschung an deutschen Universitäten stehen soll, stellt es gleich zu Beginn klar: „Ziel der Strategie ist, die wirtschaftliche Sicherheit in der EU zu schützen […] und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass wir unseren technologischen Vorsprung beibehalten und vergrößern.“
Wegen der zunehmenden Konfrontation mit den imperialistischen Gegnern, explizit der „systemischen Rivalität mit China“, fordert das Positionspapier eine radikale Veränderung der Art, wie wir forschen. Die Strategie zur Forschungssicherheit besteht aus drei wesentlichen Punkten: Erstens sollen „bestehende Instrumente, Strukturen und Verfahren“ geprüft werden, ob sie den „gesamtstaatlichen Sicherheitsinteressen entsprechen“.
Zweitens soll ein „Bewusstsein und Wissen für die Risiken und Bedrohungen, denen Forschung […] ausgesetzt ist“ an den Universitäten verankert werden. Konkret wird in den Ausführungen Angst vor den eigenen ausländischen Kolleg:innen geschürt, weil sie ja die deutschen Innovationen für ihren Geheimdienst ausspähen könnten. Bei diesen Punkten geht es also um die Abschottung der eigenen Wissenschaft gegenüber Staaten wie China.
Drittens und am gravierendsten fordert das Papier das Ende der „strikten Trennung zwischen ziviler und militärischer Forschung in Deutschland“ und folglich die Abschaffung von Zivilklauseln. Finanzielle Zwänge der unterfinanzierten Wissenschaft sollen Forschende dazu nötigen, in Rüstungsprojekte einzusteigen. Dafür sollen spezielle Fördermechanismen, sogar ein zivil-militärischer Forschungspreis eingeführt werden. Auch soll eine Abteilung der Bundeswehr nach dem Vorbild der US-Defense Advanced Research Projects Agency (DARPA) direkt in die Wissenschaft eingreifen. Im Papier heißt es euphemistisch „Länder wie Israel und die USA setzen erfolgreich und synergetisch in einem zivil und militärisch geprägten Ökosystem Forschung in technologische Innovation um.“ Tatsächlich bedeutet das eine komplette Unterordnung der Wissenschaft unter das Militär, die in den beiden stark militarisierten Ländern heute schon Realität ist. Was das menschlich bedeutet, zeigt sich gerade im Gazastreifen: Die israelische wissenschaftliche Militäreinheit Unit 8200 testet dort automatische Waffensysteme mit KI-Gesichtserkennung.
Zusammenschließen gegen Krieg und Kapitalismus
Anhand dieser Pläne und der beginnenden Umsetzung erkennen wir auch, dass die Uni im kapitalistischen Staat ein Instrument der herrschenden Klasse und des Staates (und so auch seiner Kriege) ist. Doch Universitäten sind ebenso Orte, an denen wir junge Menschen zusammenkommen und uns auch kritisch politisch bilden und Widerstand leisten. Diesen beispiellosen Angriff auf die Forschungsfreiheit dürfen wir nicht unbeantwortet lassen! Wir müssen uns als Studierende zusammenschließen. Wenn wir uns vereinigen und gemeinsam für eine gerechte und friedliche Welt kämpfen, werden wir zu einer ernsten Gefahr für dieses System.