Unis und Hochschulen geben sich häufig als linke und progressive Orte zum Lernen, Lehren und Forschen. Auch in der Gesellschaft wird das Leben als Studierende häufig so dargestellt, als bestünde der Uni-Alltag nur aus Feiern und In-die-Mensa-Gehen. Doch die Realität sieht anders aus. Leistungsdruck, Prüfungsstress und finanzielle Probleme sind für die meisten Studierenden Alltag. Doch für Frauen und LGBTI+ Personen können sich im Studium besondere Schwierigkeiten ergeben. So sind sexualisierte Gewalt und sexuelle Belästigung sowie geschlechtsspezifische Diskriminierung keine Seltenheit.
Sexuelle Übergriffe an Unis und Hochschulen
Laut einer Studie aus dem Jahr 2022 waren rund ein Drittel aller Befragten bereits von sexueller Belästigung an ihrer Uni oder Hochschule beziehungsweise Forschungseinrichtung betroffen. Außerdem gaben 6% an, physische Gewalt erlebt zu haben und 3% der Befragten sollen von sexualisierter Gewalt an der Uni betroffen sein. Besonders häufig berichteten Frauen und nicht binäre Personen von derartigen Übergriffen. An dieser Studie nahmen 46 Hochschulen und Forschungseinrichtungen in Europa teil, wobei sowohl Studierende, als auch Angestellte an den Befragungen teilnahmen.
Doch woher kommen diese Zahlen und warum ist es keine Seltenheit, dass Studierende an ihren Unis von Gewalt betroffen sind?
Zunächst sind Unis weitestgehend öffentliche Orte, an denen in der Regel eine hohe Anonymität herrscht. Dazu kommt ein großes Machtgefälle zwischen den verschiedenen Personengruppen, die sich an der Uni bewegen, beispielsweise zwischen Dozierenden und Studierenden. Das führt dazu, dass Übergriffe oder Gewalttaten oft nicht gemeldet werden können oder, aus Angst vor negativen Konsequenzen für die Betroffenen, nicht gemeldet werden wollen.
Auch wenn diese Aspekte wohl eine Rolle spielen, wenn wir über Gewalt und Übergriffe an Unis reden, sind sie doch nur oberflächliche Gründe dafür. Die Ursache liegt weitaus tiefer.
Patriarchat und Kapitalismus Hand in Hand
Als ältestes Ausbeutungs- und Unterdrückungsverhältnis der Welt ist das Patriarchat tief in der Gesellschaft verankert und bestimmt einen großen Teil unserer Denk- und Verhaltensweisen – und das schon von Kindertagen an. So werden Männer zum Unterdrücker erzogen und Frauen zur Unterdrückten. Während Eigenschaften wie Sanftheit, Großzügigkeit und Zurückhaltung vor allem Frauen anerzogen werden, gelten diese Eigenschaften als unmännlich. Dem entgegengesetzt stehen Eigenschaften wie beispielsweise Selbstsicherheit, Entschlossenheit oder Stärke, die vor allem Männern zugeschrieben werden. Diese vermeintlichen Ideale vom starken Mann und der einfühlsamen Frau prägen unsere Bilder und Vorstellungen von Geschlecht und bilden den Nährboden für das Weiterbestehen des Patriarchats als Unterdrückungsmechanismus. Dabei sind nicht nur Frauen von patriarchaler Unterdrückung betroffen sondern auch andere Geschlechter wie beispielsweise nicht binäre Personen.
Die Unterdrückung aufgrund des Geschlechts ist kein isoliertes gesellschaftliches Verhältnis, sondern stützt die kapitalistische Klassengesellschaft. Die unbezahlte Haushalts- und Sorgearbeit, wie Kochen, Wäschewaschen und Kindererziehung, wird beispielsweise vor allem durch Frauen verrichtet. Dadurch kann die Arbeiter:innenklasse als Ganzes weiterhin arbeiten und es werden neue Generationen von Arbeiter:innen herangezogen. Außerdem wird auch der Lohn gedrückt, da keine zusätzlichen Kosten für die Haushaltsarbeit anfallen. Dadurch werden auch die Profite der Reichen durch die stärkere Ausbeutung der Frauen erhöht.
Vorschlag zur Umformulierung: Gleichzeitig richtet sich die Unterdrückung und die Gewalt aufgrund des Geschlechts nicht nur gegen Frauen, sondern auch gegen nicht-binäre Menschen. Denn diese identifizieren sich nicht mit dem Geschlecht, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wird. Damit fallen sie aus der gesellschaftlichen Norm aus zwei Geschlechtern und der Kleinfamilie. Durch Unterdrückung, Zwang und Gewalt sollen sie wieder in diesen Standard eingefügt werden.
Das Patriarchat als Ursache für Gewalt
Doch auch wenn patriarchale Denk- und Verhaltensmuster tief in unseren Köpfen verankert sind, können wir beobachten, wie sich Menschen weltweit immer wieder dagegen wehren und gegen ihre Unterdrückung kämpfen. Seien es die Stonewall-Aufstände 1969, die Suffragetten-Bewegung Anfang des 20. Jahrhunderts oder die Aufstände im Iran in Folge der Ermordung Jina Aminis im letzten Jahr. Um diese Bewegungen niederzuschlagen und auch den Widerstand einzelner Frauen gegen ihre aufgezwungene Rolle als Mutter und Hausfrau zu brechen, wird auf das Mittel der Gewalt vor allem als Machtdemonstration zurückgegriffen.
So ist in Deutschland jede dritte Frau von sexualisierter und/oder körperlicher Gewalt betroffen. Zwei von drei Frauen erleben hierzulande sexuelle Belästigung. Als extremstes Ausmaß der patriarchalen Gewalt gilt der Femizid, also der Mord an einer Frau aufgrund ihres Geschlechts. Die Anzahl dieser Taten steigt seit einigen Jahren immer weiter an und allein im Jahr 2023 wurden in Deutschland bisher 97 solcher Morde begangen (Stand: 14.11.2023). Nicht zu vergessen ist dabei, dass all das nur die offiziellen Zahlen sind und die Dunkelziffer weitaus höher liegen dürfte.
Patriarchat bekämpfen – An der Uni und überall
Übergriffe dieser Art sind also keine Seltenheit in unserer Gesellschaft und die Gründe dafür liegen weit aus tiefer, als uns einige Studien verraten wollen. Zwar ist es wichtig Studien und Befragungen dieser Art durchzuführen, um ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Unis und Hochschulen keineswegs Räume sind, in denen wir vor solchen Taten sicher sind. Allerdings reichen sie nicht aus. Auch reicht es nicht, eine Frauen- oder Gleichstellungsbeauftragte an Lehr- und Forschungseinrichtungen einzustellen. Denn auch wenn diese eine wichtige Anlaufstelle für Betroffene sein können, bekämpfen sie dennoch nur die Symptome, die das Patriarchat hervorbringt.
In Wirklichkeit haben Unis, Hochschulen und Forschungseinrichtungen kein Interesse daran uns zu schützen. Als Orte der Vermittlung bürgerlicher Ideologien sind diese Einrichtungen auf der Seite des Staates. Durch diese Verwobenheit mit dem kapitalistischen System können diese Institutionen nicht unsere wahren Interessen im Kampf gegen patriarchale Unterdrückung und die damit verbundene Gewalt gegen Frauen und LGBTI+ Personen vertreten.
Statt uns also auf die Hilfe von Unileitung und Co. zu verlassen, muss es unsere Aufgabe als Frauen und LGBTI+ Personen sein, patriarchaler Gewalt gemeinsam und entschlossen entgegenzutreten und Selbstschutz von unten aufzubauen. Wir müssen dabei Grenzen und Gegensätze überwinden, Solidarität miteinander leben und Seite an Seite gegen unsere Unterdrückung und die Gewalt, die wir erleben, kämpfen – egal ob an der Uni oder anderswo!
Seite an Seite, Hand in Hand – Studierende leisten Widerstand
Kampf der patriarchalen Gewalt an Unis und Hochschulen!